Arnulf Letto: Isoliertes Licht, 2004, Acryl auf Nessel auf Gips auf Pressspan, 44,5 x 28,5 x 3,5 cmArnulf Letto







Ausstellungsinformation 1997

"Reliefs und Schattenkästchen"
10.05.-16.08.97



Bei der Rückverfolgung der eigenen Arbeit stoße ich, über alle Unterschiedlichkeiten der einzelnen Phasen hinaus, auf ein Gemeinsames: den Versuch nämlich, mit einem Minimum an Gestalt, einer größtmöglichen Reduzierung des Formkanons also, ein Maximum an Offenheit zu erhalten.
Das Gestaltminimum wurde seit 1959 über Ordnungen einfachster Art erreicht: Reihungen gleicher Elemente oder horizontale und vertikale Unterteilungen des Grundformats.
Die Forderung nach Offenheit wurde ab 1965 in Form unterschiedlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten der reduzierten Oberflächengliederung eingebracht: die Verwendung kontinuierlicher Graustufen ließ ebene Flächen (Bilder) als leichte Reliefs erscheinen, die sowohl konvex als auch konkav interpretiert werden konnten (Volumenillusion).
Eine entscheidende Erweiterung in Bezug auf Oberflächen-Variabilität wurde 1969 erreicht, als die auf der ebenen Bildfläche entstandenen Scheinwölbungen real nachgebaut und in Flachreliefs umgewandelt wurden, deren Bemalung in gleicher Weise wie bei den Bildern erfolgte.
Die so entstandenen Gebilde waren nun aufnahmefähig für Licht und Schatten und veränderten sich je nach dem Winkel des Lichteinfalls, wobei teils sowohl eine Orientierung über die Oberflächenbeschaffenheit nicht mehr möglich war oder Bemalung und reale Licht-Schattenbildungen der Reliefs so gegeneinander liefen und sich gegenseitig aufhoben, dass deren Erscheinungsweise unifarbenen Flächen entsprach.
Handelte es sich bei diesen Arbeiten um den Widerstreit zweier Realitäten (Graustufen und Wölbungen) und deren Auflösung bei einer bestimmten Lichtkonstellation, so wird bei den seit 1975 entstandenen weißen Reliefs durch den Verzicht einer differenzierten Bemalung gerade eine solche suggeriert. So einfach das Prinzip ist: ebene Flächen werden in Licht- und Schattenzonen eingebettet, die über konvexe und konkave Wölbungen hergestellt werden und erscheinen so als unterschiedliche Helligkeitsqualitäten - so vielfältig ist die Erscheinungsweise: mit dem Wechsel der Lichtverhältnisse verkehren sich Hell- und Dunkelwerte in ihr Gegenteil oder löschen ganz aus, was eine Auflösung der Oberfläche im Sinne einer völligen Indifferenz zur Folge hat, oder die Kontraste erscheinen ganz schwach und nehmen changierenden Charakter an, der von zarten Farbwahrnehmungen begleitet wird usw. usw., so dass schlussendlich die eigentliche Farbe Weiß als objektive Situation am allerwenigsten in Erscheinung tritt.
Der reduzierte Formkanon, von dem eingangs die Rede war, hat sich vom Prinzip her über die Jahre kaum geändert. Er hat unter anderem die Funktion eines Gegenpols, an dem die vielfältigen, differenzierten und widersprüchlichen Erscheinungsweisen, die ihn überlagern, gemessen werden können und die Aufgabe, scheinbar kompliziert anmutende Sachverhalte jederzeit auf ihre Ausgangsbasis zurückführen und überprüfen zu können.
Ohne diesen Formkanon komplizierter zu machen, nimmt seit 1978/80 die Tendenz zu, von weiteren didaktischen Bemühungen innerhalb der einzelnen Arbeit Abstand zu nehmen.
Seit diesem Zeitpunkt entstehen unsichtbare Reliefs, Umkehrungen von Sachverhalten wie: bemalt - unbemalt, gebogen - eben etc.

Arnulf Letto, 1981

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